Art revisited
Skizze zu einer
grundsätzlichen Erörterung des Begriffs ‚Kunst‘
1.
Auch wenn viel darüber gestritten wird, ob nun das eine oder andere Werk
aus welchem künstlerischen Bereich auch immer wahre Kunst ist oder doch eher
ziemlicher Kappes – man bekommt trotz aller unterschiedlicher Meinungen erstens
den Eindruck vermittelt, dass alle Teilnehmer des Diskurses, vom Stammtisch bis
zur Alma Mater, wissen, worüber sie reden, wenn sie über Kunst reden. Und zweitens,
dass alle, wenn sie über Kunst reden, über das gleiche reden. Mich beschleicht
allerdings in beiden Fällen das ungute Gefühl, dass dem nicht so ist und auch noch
nie so war. Ziel dieser kunstphilosophischen Skizze ist der Versuch, eben diesem
Eindruck Ausdruck zu verleihen. Ein Versuch, der auf folgende These
hinausläuft:
(1) Sowohl die Etablierung der Gebrauchsweise des sprachlichen Ausdrucks Kunst
(2) und die Zuschreibung innerhalb einer Gemeinschaft, welches Werk als Kunstwerk gilt,
(3) als auch die Etablierung des Verständnisses von Kunst in einer Epoche und einer Kultur
sind Resultate des Prozesses der unsichtbaren Hand1, Phänomene der dritten Art, weder natürlich gegeben noch künstlich erschaffen. Tertium datur. Alles ist, wie alle soziokulturellen Phänomene, eine stets fluide kollektive, weder intendierte noch geplante „kausale Konsequenz einer Vielzahl individueller intentionaler Handlungen, die mindestens partiell ähnlichen Intentionen dienen“ (Keller 2014: 93).
(1) Sowohl die Etablierung der Gebrauchsweise des sprachlichen Ausdrucks Kunst
(2) und die Zuschreibung innerhalb einer Gemeinschaft, welches Werk als Kunstwerk gilt,
(3) als auch die Etablierung des Verständnisses von Kunst in einer Epoche und einer Kultur
sind Resultate des Prozesses der unsichtbaren Hand1, Phänomene der dritten Art, weder natürlich gegeben noch künstlich erschaffen. Tertium datur. Alles ist, wie alle soziokulturellen Phänomene, eine stets fluide kollektive, weder intendierte noch geplante „kausale Konsequenz einer Vielzahl individueller intentionaler Handlungen, die mindestens partiell ähnlichen Intentionen dienen“ (Keller 2014: 93).
Dieses Modell ist
kein sonderlich neues. Bernard de Mandeville hatte es bereits vor über 300
Jahren in seiner bitterbösen Schrift ‚Die Bienenfabel’ formuliert; es ging
hernach als Mandevilles Paradox in die Geschichte ein: Untaugliche Handlungen
Einzelner können vorteilhafte Auswirkungen für die Gemeinschaft zeitigen. Die schottische
Schule der Moralphilosophie - allen voran der Begründer der klassischen
Nationalökonomie, Adam Smith, sowie Adam Ferguson und Dugald Stewart - hat es im
Laufe des 18. Jahrhunderts aufgegriffen und zu einer zentralen Säule ihres
Konzeptes gemacht. Bei dem Ökonomen Carl Menger ist es ebenso zu finden wie bei
Friedrich August von Hayek und Robert Nozick, aber auch bei Karl Marx und
Norbert Elias.
Die unser
abendländisches Denken prägende Dichotomie von ‚physei’ und ‚thesei’, von natürlich
und künstlich wurde uns, so von Hayek, „zu
einer so festen Tradition (…), dass sie sich wie ein Gefängnis
auswirkte, aus dem heraus erst Mandeville einen Ausweg zeigte“ (von Hayek
1969: 131). Ein Gefängnis, aus dem wir ausbrechen müssen, wenn wir den Prozess „der kulturellen Evolution, der die
moralischen Traditionen hervorbringt“ (von Hayek 1983: 170), angemessen verstehen
wollen. Der Sprachwissenschaftler Rudi Keller, der sich von Hayeks Diktum zu
Herzen nahm und seine Theorie des Sprachwandels ausgehend von Mandevilles Paradox
sowie der sich daran anschließenden Tradition konzipierte, verweist auf die
generelle Gültigkeit der Grundstruktur dieses Modells für soziokulturelle
Phänomene: „Man kann, was Kultur ist, was soziokulturelle Phänomene sind, in entscheidenden Aspekten nicht begreifen,
wenn man sie nicht als Phänomene der dritten Art sieht. (…) Sprachwandel ist
ein Spezialfall soziokulturellen Wandels“ (Keller 2014: 208).
2.
Wenn wir uns
fragen, worüber wir reden, wenn wir über Kunst
reden, müssen wir uns natürlich zunächst einmal das banale Faktum vor Augen
halten, dass, auch wenn Kunst für uns etwas ganz besonderes ist, das Wort Kunst nichts besonderes ist. Das heißt: Es
unterliegt, mit Ausnahme vielleicht einiger weniger, autoritativ festgelegter
Worte (z.B. durch DIN-Normierung), den gleichen Prinzipien wie alle anderen
Worte einer natürlichen Sprache. Und diese Sprachen besitzen keinen
unabänderlichen Korpus, sondern wandeln sich. Permanent. Obgleich nicht ersichtlich
ist, warum sie das eigentlich tun. Aber sie tun es. Und sie tun es
zumeist von den Sprechern der Sprache unbemerkt. Genauer gesagt: Wenn die
Sprecher einmal Veränderungen wahrnehmen, nehmen sie sie „nicht als permanente Wandlungsprozesse wahr“ (Keller 2014: 22).
Prozesse angemessen wahrzunehmen und sie ebenso angemessen zu beschreiben,
bereitet uns offensichtlich gewisse Schwierigkeiten. Wie habe ich mir nun diese
Prozesse vorzustellen? Wie wandelt sich eine Sprache? Ist es überhaupt die
Sprache, die sich wandelt? Wenn nicht: Wer oder was wandelt sie? Und warum?
Wir greifen bei
dem Versuch, diese und ähnliche Fragen zu beantworten, schnell zu altbekannten
Mustern. Zu Denkmodellen, die sowohl unsere Alltagssprache, aber durchaus auch die
Wissenschaftssprache prägen: Termini technici, höchst sinnvolle Abkürzungen
komplexer Sachverhalte, werden jedoch in ihrem Gebrauch nur selten und noch
seltener grundsätzlich in Frage gestellt: Der unreflektierte Gebrauch der Worte
wird schlicht perpetuiert, seine Verwender werden weiter „in ihrem ‚Sprachpanzer’ hausen und durch Wortdunst ihre handwerklichen
Fehler verschleiern“, so der Germanist Steffen Martus in einem Beitrag in
der FAZ. Ein Phänomen, das, wie Martus betont, vor keiner Branche haltmacht: „Das ist bei Ärzten, Heizungsbauern oder
Juristen nicht anders.“ Und auch, möchte man hinzufügen, bei Kunstphilosophen
oder Kunst- und Kulturwissenschaftlern nicht. Bevor wir also über Kunst reden, sollten wir darüber nachdenken, wie wir eigentlich reden, wenn wir über so etwas wie Kunst reden. Um dann, derart gewappnet,
in einem nächsten Schritt über ein Modell nachzudenken, das aufzeigt, wie sich
ein Sprachgebrauch (und damit einhergehend auch ein Verständnis von ‚Kunst’)
gesellschaftlich etablieren kann und welche kollektiven Konsequenzen, die von
niemandem intendiert waren, dies haben kann: Sie sind das Ergebnis menschlichen
Handelns, nicht aber Resultat eines menschlichen Plans.
„Wir haben einen Wortschatz der Schöpfung und
einen des Wachstums“ zur Verfügung, so Keller (Keller 2014: 22), wenn wir das
Werden, also prozessuale Ereignisse, beschreiben wollen. Beim ersten Modell
handelt es sich um ein mechanistisches Konzept, bei
dem der schöpfende Gott und, etwas profaner, der schaffende
Handwerker Pate stand. Wobei Letzterer uns damit auch gleichzeitig ein
alltagstaugliches Muster der Entstehung nicht natürlicher, mithin also
kultureller Artefakte liefert. Beim zweiten Modell stand der Organismus Pate:
Es ist dies das ontogenetische Konzept des individuellen Werdens. In beiden
Fällen, sowohl im mechanistischen als auch im ontogenetischen Konzept, haben
wir es mit Kategorien zielgerichteter Prozesse des Werdens und Entstehens zu
tun, bei dem „die Idee des Produkts vor
seiner Vollendung existiert“ (Keller 2014: 22). Diese teleologische
Dimension steckt sprachlich noch in den Wörtern ‚Entwicklung‘ und ‚Evolution‘ – hier lauert die „Vorstellung
des Auspackens (…), des Entfaltens von etwas im Keim bereits Vorhandenen“ (ebd.: 22).
In einem anderen
Sprachgebrauch lauert ein animistisches Denken: Unsere Sprache wimmelt vor
Hypostasierungen, Vitalisierungen und Anthropomorphisierungen (Keller 2014:
24). Da klettert der Dax schon mal und Hochs und Tiefs wandern übers Land, als
wären sie allesamt Mitglieder im Alpenverein. Die Elektrizität fließt. Der
Staat greift ein. Der Markt reguliert sich selbst. Das Geld muss arbeiten und
regiert ganz nebenbei noch die Welt. Da wird von der Kunst erwartet, dass sie
Brücken in die Gesellschaft baut, unsere Wahrnehmung schärft und Veränderungen
aufzeigt. Und die Sprache? Sie wandelt sich. Das alles klingt ganz so, als gäbe
es belebte Dinge namens Dax, Hoch, Tief, Elektrizität, Staat, Markt, Geld, Kunst
oder Sprache.
Diese
Vitalisierung und Anthropomorphisierung, die der Verdinglichung auf dem Fuß
folgt, ist, so Keller, gerade bei der Sprache evident. Sie wird zum Subjekt des
Handelns: „Die Sprache lebt. In ihr
‚wirken’ Kräfte, sie ‚wächst’, ‚altert’ und ‚stirbt’.“ (Keller 2014: 24) Kein
Wunder, dass wir ganz selbstverständlich davon sprechen, dass die Sprache sich wandelt. So als sei sie ein „animal rationale mit allerhand wundersamen
Fähigkeiten“ (Keller 2014: 24; cf. auch Wiesing 2013: 73 ff.).
3.
Steckt hinter der
ontogenetischen Redeweise ein Denkmodell von der Sprache als selbsttätig agierendem
Handlungssubjekt, so steckt hinter dem Denkmodell vom eigeninitiativ Bedeutungen
setzenden und Sprache verändernden Sprecher ein mechanistisches. Hier wird
unterstellt, der Sprecher würde absichtsvoll, geplant und willentlich die
Sprache, die er spricht, wandeln. Ganz so, „als
sei die Sprache ein von Menschen gemachtes Artefakt.“ (Keller 2014: 25) Und
ganz so, als wäre es ihm jederzeit möglich, nach eigenem Gutdünken ändernd
einzugreifen. Beiden sprachtheoretischen Modellen des Werdens sind nach Keller
drei Wesenszüge gemeinsam:
1. Sie sind zielgerichtet.
2. Sie haben ein Ende.
3. Sie sind individuelle Prozesse.
Die natürlichen
Sprachen unterliegen einem permanenten Wandel. Von diesem
anzunehmen, er
sei zielgerichtet, ist eine These, die aus heutiger Sicht recht
befremdlich
anmutet. Was sollte Ziel der Sprache sein? Wer sollte es als Keim angelegt, wer
es formuliert haben? Und warum sollte es ein Ziel geben? Ein Ende des Wandels
kann es, solange es Sprecher gibt, die die Sprache aktiv sprechen, nicht geben:
Ihr Werden und Wandel ist „eine
potentiell unendliche Geschichte“ (Keller
2014: 25). Und da Sprache der kommunikative, interaktive und interdependente
Prozess eines Kollektivs ist, lässt sich auch Punkt 3. negieren.
Wenn Sprach- und
mit ihm Bedeutungswandel (und auch die Etablierung von Bedeutung als logische
Voraussetzung dafür, dass sich Bedeutung wandeln kann) nun aber weder durch ein
ontogenetisches noch durch ein mechanistisches Modell erklärt werden
kann – wie dann? Sprachentwicklung ist nicht zielgerichtet, sie ist potentiell
unendlich und ein kollektives Phänomen. Sie ist ein permanenter Prozess, an dem
täglich Millionen Menschen teilhaben (in der synchronen Zeitachse). Und das über
Generationen hinweg (in der diachronen Zeitachse). Die Sprache, so formulierte
es Humboldt prägnant, „in ihrem Wesen
aufgefaßt, ist etwas beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes (…) Sie
selbst ist kein Werk (Ergon), sondern
eine Tätigkeit (Energeia)“ (Humboldt 2008:
324). Darum liegt auch „die eigentliche
Sprache in dem Acte ihres wirklichen Hervorbringens “ (ebd.: 325).
Sprache ist also
Sprache im Moment des Gebrauchs. Die Vorstellung von der Sprache als langue und
als Abstraktum (‚die Sprache‘) sind für die Analyse äußerst nützliche
Arbeitshypothesen, es handelt aber bei ihnen nicht um real existierende
Entitäten. Das heißt: Die Sprache existiert nicht an einem geheimen Ort
außerhalb der Menschen oder Menschheit, sondern nur in und durch uns, den
Sprechern der natürlichen Sprachen. Dass uns die Sprache zur Verständigung
dient, sagt uns der gesunde Menschenverstand. Und schlägt uns auch damit ein
Schnippchen. Denn um Verständigung geht es, betrachtet man den Sachverhalt
etwas genauer, nur recht selten (cf. Wittgenstein 1977: 17, PU §3). Da geht es
eher um etwas Anderes: um Beeinflussung. Ich lüge und betrüge. Flirte. Führe hinters Licht. Halte
Small-Talk, schwinge Reden, treibe Werbung, feuere meine Mannschaft
leidenschaftlich an oder frage als Standesbeamter, ob er oder sie sie oder ihn
zu Mann oder Frau nehmen will. In all diesen Fällen kann man schwerlich davon
sprechen, dass es bei ihnen vorrangig um Verständigung geht: Stets will ich im weitesten Sinne Einfluss auf andere nehmen. Und es ist gerade diese
Beeinflussung, die das durchgehende Merkmal der Sprachverwendung zu sein
scheint. Ja, vielleicht ist es sogar der eigentliche Zweck der Sprachhandlung
respektive die Absicht des Sprechers:
X will Y dazu bringen, z zu tun.
Intention der
Handlung und des Handelnden ist es, den anderen zu etwas Bestimmten zu bewegen.
Dieser Vorsatz ist ein Plan, eine „Absicht,
etwas zu tun“ (Keller 2014: 27). Die Schritte hingegen, die ich
unternehme, um diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen, sind zwar ebenfalls
absichtsvoll bzw. intentional, aber in einer anderen Hinsicht: Es ist dies die „Absicht, in der etwas getan wird“
(Keller 2014: 27).
Sprache wandelt
also nicht die Sprache, das tun die Sprecher. Aber weder mit der Vorsatz- noch der
Zweckabsicht, sie zu wandeln oder Bedeutungen zu etablieren. Und weder nach Art
der Handwerker, also schöpferisch-mechanistisch, noch in einem ontogenetischen
Prozess: Sprachwandel, ebenso wie die Etablierung von Bedeutung, ist ein
kollektiver Prozess, der individuelle Handlungen involviert, zudem nicht
zielgerichtet und potentiell endlos ist. Es stellt sich also die Frage: Wie
verändern wir dann die Sprache, wenn die gängigen Modelle nicht greifen? Wenn
wir, bis auf einige wenige Ausnahmefälle, nicht dazu imstande sind,
vorsätzlich, bewusst und planvoll den Sprachwandel und die Etablierung von
Bedeutung voranzutreiben – wie soll es dann geschehen? Nicht durch Setzung,
nicht durch Ontogenese – wir erzeugen durch das „tägliche millionenfache Benutzen unserer Sprache (…) eine permanente
Veränderung unserer Sprache“ (Keller 2014: 29).
4.
Sprache ist ein
soziokulturelles Phänomen. Solchen Phänomenen ist zu eigen, dass sie „spontane Ordnungen“ (Keller 2014: 32)
bilden. Also Ordnungen, in denen zwar bestimmte
Zweckabsichten der Akteure walten, die aber im Kollektiv ohne Ziel, ohne Plan, ohne
Vorsatzabsicht, ohne Verabredung und unbewusst entstehen. Und die bisweilen
recht „paradoxe Züge“ (ebd.: 51) annehmen.
Verallgemeinert man das Paradoxon für soziokulturelle Phänomene, so bedeutet das
in der Konsequenz, hier zitiert Rudi Keller den deutschen Soziologen und
Ökonomen Viktor Vanberg, „dass die Frage
nach den Motiven individuellen Handelns ausdrücklich getrennt (werden muss) von
der Frage nach den sozialen Auswirkungen dieses Handelns“ (Keller 2014: 57).
Oder wie es der schottische Moralphilosoph Adam Ferguson bereits im 18.
Jahrhundert prägnant formulierte: Soziokulturelle Phänomene sind „Einrichtungen, die in der Tat das Ergebnis
menschlichen Handelns sind, nicht die Durchführung eines menschlichen Plans“ (ebd.:
58) – sie sind von eben jener invisible hand, der unsichtbaren Hand geleitet, von der Adam Smith in
Anlehnung an Mandevilles bitterböser Fabel in seinem Werk 'Der Wohlstand der Nationen' sprach.
Ein solch kollektiv
etabliertes Phänomen sind soziale Regeln, denen ich folge. Und „wenn ich der Regel folge, wähle ich nicht.
Ich folge der Regel blind“ (Wittgenstein 1977: 134 [PU 219]), weil sie Teil
der Lebenswelt ist, in die ich hineingeboren wurde und sie durch mein Verhalten
sowohl mit konstituiere, tradiere als auch zu ihrer Wandlung beitrage. „Soziale Regeln werden gleichsam zu unserer
zweiten Natur. Sie sind ein Teil meines Ich“ (Keller 2014: 65). Sie sind
weder natürlich gegeben noch künstlich geschaffen. Eine Sprache zu sprechen
heißt also, gewissen nicht verabredeten, nicht durch Übereinkunft erzielten
oder gesetzten sozialen Regeln zu folgen. Ihre Befolgung dient, wie
gesagt, in erster Linie nicht der Verständigung, sondern der Beeinflussung: Ich
will jemanden dazu bringen, „etwas
Bestimmtes zu tun bzw. zu glauben“ (ebd.: 65).
Wenn Sprecher
nun derart die Sprache wandeln, Sprach- und Bedeutungswandel also „Ergebnisse menschlicher Handlungen, nicht
aber Ziel ihrer Intentionen“ (ebd.: 84) sind, passt das Erklärungsmuster
nicht mehr in die klassische Dichotomie. Resultate dieser Art sind Phänomene, „which are indeed the results of human
action, but not the execution of any human design“ (ebd.: 85; zitiert nach:
Adam Ferguson 1767: 187). Keller nennt sie darum „Phänomene der dritten Art“ (Keller 2014: 85): Sie sind nicht
intendierte kollektive Folgen zum Teil millionenfacher gleichgerichteter
intentionaler individueller Handlungen. Folgen eben jenes Wirkens der
unsichtbaren Hand, das Adam Smith beschrieb. Wie bei dem Trampelpfad2,
der es durch Keller zu einiger Bekanntheit brachte:
A ist in Eile, er hat mit B einen Termin. Er stellt seinen Wagen auf dem Parkplatz ab und will auf dem kürzesten Weg zu B. Der führt ihn über die Rasenfläche. Schafft es A, zu B zu kommen, so ist die Handlung ‚gelungen’, das ‚Ergebnis’ eingetreten („primäre Intention“, ebd.: 91). Das angestrebte Ziel dieser primären Intention ist, dass ich pünktlich zu meiner Verabredung komme – dies ist die ‚Folge’ meiner Handlung („sekundäre Intention“, ebd.: 92). Tritt sie ein, ist die Handlung nicht nur ‚gelungen’, sondern auch ‚erfolgreich’. Tritt sie nicht ein, weil A trotz aller Bemühungen zu spät kommt, wäre die Handlung zwar ‚gelungen’, aber nicht ‚erfolgreich’. Ähnlich wie A geht es tausenden An, die zu Bn wollen. Geht A über den Rasen, werden bestenfalls ein paar Grashalme geknickt. Gehen An über den Rasen, so entsteht ein Trampelpfad. Was ist aber nun der Trampelpfad – Ergebnis oder Folge der Handlungen von A? Nichts von beidem. Denn zum einen beabsichtigt A ja nicht, einen Trampelpfad anzulegen – A will nur pünktlich sein, weshalb er den kürzesten Weg wählt. Zum anderen würde es A, selbst wenn er es wollte, beim besten Willen nicht schaffen, einen Trampelpfad durch seinen Gang über den Rasen anzulegen. Das klappt nur im Verbund mit anderen: An. Der Trampelpfad gehört also nicht „zu den Intentionen der einzelnen Handelnden“ (ebd.: 90), ist aber das kollektive, nicht intendierte Resultat intentional zumindest partiell gleichgerichteter individueller Handlungen. Er ist als Epiphänomen eine „kausale Konsequenz (…) der Ergebnisse der sie erzeugenden Handlungen“ (ebd.: 92), weder Artefakt noch Naturphänomen, sondern ein ‚Phänomen der dritten Art’. Wie der Sprach- und Bedeutungswandel – auch der des Wortes Kunst.
5.
Um eine
angemessene Erklärung soziokultureller Phänomene wie das des Sprachwandels oder,
ihm logisch vorausgehend, der Etablierung von Bedeutung liefern zu können, kann
man nicht bei bestehenden Strukturen beginnen, sondern muss methodologisch eine
Erklärung dafür liefern, wie diese Strukturen entstehen: „Ausgangspunkt der Erklärung sind handelnde Individuen“ (Keller
2014: 164). Diese „nominalistische
Strategie“, wie sie der Linguist Frank Liedtke im Rekurs auf den britischen
Sprachphilosophen Jonathan Bennett nennt, ist alternativlos: „Jede andere Strategie wäre hoffnungslos
zirkulär“ (Liedtke 2016: 43).
Die Frage, wie
sich Bedeutung systematisch etablieren kann, geht mit der Frage einher, wie
sich das Verständnis eben dieser Bedeutung systematisch etablieren kann. Denn
auf der Handlungsebene, auf der sich der Mensch Zeit seines Lebens de facto
bewegt, ist er immer in soziale Kontexte eingebunden (es sei denn, wir reden hier
über einen ewigen Robinson Crusoe ohne Chance auf einen Freitag). Das heißt, es
muss gezeigt werden, was es bedeutet, wenn ein singuläres Sprachverhalten von
einem anderen ‚verstanden’ wird. Und wie im Zuge der „sozialen Kristallisation“ (de Saussure 1967: 16), die als
soziokulturelles Phänomen auch ein Prozess der unsichtbaren Hand ist, eine singuläre
„Sprecher-Bedeutung“ (H. Paul Grice) über
den Weg der etablierten Bedeutung zur konventionellen Bedeutung eines
Äußerungstyps, eines Satzes oder Wortes, werden kann.
Bedeutungskonstitution
ist nie eine einseitige Angelegenheit. Wenn ich etwas sage und niemand ist da,
dem ich es sage, dann gibt es auch niemanden, dem das, was ich sage, etwas
sagt. Mithin läuft in dieser Konstellation meine Intention ins Leere, ist das, was
ich sage, im radikalen Sinne bedeutungslos. Es bedarf also immer eines
Gegenübers, der die Grundbedingungen dafür erfüllt, dass er das, was ich ihm
sage, in der Lage ist zu erfassen. Wenn ich diesem Gegenüber etwas sage, was
nicht durch schnöden Rückgriff auf den konventionellen Sprachgebrauch
verständlich ist, so muss mein Gegenüber, damit er weiß, was ich mit dieser
Äußerung meine, meine Intention erkennen, mit der ich meine Äußerung gemacht habe.
Zu wissen, „was jemand mit einer Äußerung
meint“ (Liedtke 2016: 35), bedeutet, die Intention des Sprechers zu
erkennen. Diese kommunikative Intention oder „Sprecher-Intention“ (H. Paul Grice) ist die Bedeutung der Äußerung:
die „Sprecher-Bedeutung“ (H. Paul
Grice) – damit stehen wir strukturell gesehen am Anfang der Bedeutungsetablierung.
Bedeutung konstituiert sich nur in Ausnahmefällen als ein Akt der Setzung. In
der Regel resultiert sie aus einer dialogisch strukturierten Situation, in der
der Angesprochene die „reflexive
Intention“ (Liedtke 2016: 37) erkennen muss, um zu wissen, was der Sprecher
meint, also die „Sprecher-Intention“
resp. „Sprecher-Bedeutung“ erkennen.
Der britische
Sprachphilosoph Herbert Paul Grice hat für den Fall des Meinens (und damit das
Verstehen des Gemeinten) ein handlungstheoretisches Grundmodell entwickelt:
i.
Ich intendiere, dass du
erkennst, dass ich mit meiner Äußerung a beabsichtige.
ii.
Ich intendiere, dass du
meine Intention (i.) erkennst.
iii.
Ich intendiere, dass du
erkennst, was ich mit meiner Äußerung a beabsichtige, indem du meine Intention
(ii.) erkennst.
Der
Angesprochene muss also eine reflexive, interpretative Leistung erbringen, um
den Gehalt der kommunikativen Intention (die Sprecher-Intention), das mit der
Äußerung Gemeinte, und die intendierte Wirkung (die Sprecher-Bedeutung) verstehen
zu können. Um eine realistische Chance zu haben, diese Leistung erbringen zu
können, muss er über relevantes Kontextwissen verfügen. Diese Informationen „umfassen allgemeines Weltwissen, also physikalische
Gesetze oder kulturelle Praktiken, außerdem Einschätzungen der aktuellen
Situation und schließlich das, was im Diskurs vorher gesagt oder im Text vorher
geschrieben wurde“ (Liedtke 2016: 38). Dazu gehört auch das von Karl
Mannheim beschriebene konjunktive Denken, das mit einem ebensolchen konjunktiven Wissen
korrespondiert. Bei ihm handelt es sich um akkumulierte geteilte,
ausgetauschte Erfahrungen, intersubjektiv konstituiert durch die Gemeinschaft
(und so Gemeinschaften bildend). Und doch ist dieses nie zur Gänze explizierbar,
obwohl es doch zur „Orientierung in und
Gestaltung und Interpretation von einer Welt beiträgt, in der wir zuhause sind“
(Kettler, Meja, Stehr in: Mannheim 1980: 22).
Ob die
Interpretation des Gemeinten durch den Angesprochenen mit der von mir
intendierten Interpretation übereinstimmt, kann, so Liedtke, „nur wechselseitig
unterstellt werden“ (Liedtke 2016:
40). Im Gespräch kann ich dies vielleicht noch durch eine simple Nachfrage in
Erfahrung zu bringen versuchen. Bei der Lektüre eines Artikels wird das schon
schwieriger. Angenommen, den darin gebrauchten Worten, so dem Begriff ‚Kunst’, kommt
eine singuläre Sprecher-Bedeutung zu: Wie soll ich, wenn es aus dem Kontext
nicht eindeutig ersichtlich ist, herausfinden, ob meine Hypothese der
Sprecher-Bedeutung richtig ist, ob also der Autor und ich „übereinstimmende Interpretationen der Situation haben oder nicht“
(ebd.: 40)? Um gerade in Fällen wie diesen eine halbwegs realistische Chance
auf Verständigung und damit auf eine flüssige Kommunikation zu haben, müssen wir „auf eine gängige Bedeutung der geäußerten Ausdrücke zurückgreifen“
(ebd.: 41) können. Noch schwieriger, wenn nicht gar unmöglich wird es, wenn es
sich dabei um Texte handelt, die außerhalb der „diachronischen Identität“ (Keller 2014: 132) liegen. Also um solche
Texte, die älter als drei bis vier Generationen sind, bei denen wir also nicht
auf eine unmittelbare Verifizierung unserer Bedeutungshypothese hoffen können.
6.
Die etablierte Bedeutung
eines Ausdrucks ist, wie gesehen, weder etwas, was ‚physei’ ist, also natürlich
gegeben, noch ‚thesei’ ist, also durch Gewohnheit und Übereinkunft erzielt. Sie
ergibt sich in der Regel als Resultat menschlicher Handlungen, nicht aber als
Ergebnis eines menschlichen Plans – „sie
entsteht letztlich aus singulären sprachlichen Äußerungen und ihrer
Intentionszuschreibung“ (Liedtke 2016: 41). Es sind daran immer Sprechende
beteiligt, die bestimmte Intentionen haben, sowie Mitsprechende, die diesen
Ausdrücken und Äußerungen in aktuellen Situationen bestimmte Intentionen
zuschreiben. Aus dem millionenfachen Vollzug solcher Handlungen entstehen
ungeplante, nicht vorsätzliche, kollektive kausale Resultate – idealiter die etablierten
resp. konventionellen Bedeutungen. Und, strukturell in letzter Konsequenz, „allmählich eine Einzelsprache als
Durchschnitt der Verwendungen vieler Sprecher“ (ebd.: 41).
H. Paul Grice
hat ein idealtypisches Modell entwickelt, wie wir uns eine solche systematische
prozessuale Genese innerhalb einer Sprachgemeinschaft von der singulären Situationsbedeutung
hin zur konventionellen Bedeutung vorzustellen haben:
a. Situationsbedeutung: „sie gilt nur in der spezifischen Verwendungssituation“ (ebd.: 42).
Die geäußerten Sätze und Worte ergeben sich in diesem Fall ausschließlich aus
dem konkreten Kontext der Äußerung.
Diese Bedeutung differenziert Grice in die
a.1 Situationsbedeutung eines Ausdrucks sowie
a.2 Situationsbedeutung eines Sprechers
Letztere (a.2)
ist hier von vorrangigem Interesse. Anhand des beschriebenen Grice‘schen
Grundmodells erschließt sich die jeweilige Intention des Sprechers. Aus dieser
Sprecher-Intention ist die singuläre Bedeutung des Sprechers, seine
Situationsbedeutung, zu ersehen. Sie ist, sprachlogisch gesehen, die erste,
ursprüngliche Form der Sprecher-Bedeutung. Und damit der Anfang des Prozesses
zur Bedeutungsetablierung, an dessen Ende zunächst die etablierte, dann die
konventionelle Bedeutung steht – hier handelt es sich um „die Ableitung der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke aus dem Begriff der
(reflexiven) Sprecher-Intention“ (ebd.: 43).
Die zweite hier relevante Art der Bedeutung ist die
b. zeitunabhängige Bedeutung: „die etablierte Bedeutung, die einem
Ausdruck (sei es ein Wort oder ein Satz) unabhängig von einer bestimmten
Verwendungssituation, also zeitunabhängig, zukommt“ (ebd.: 42)
Da nun viele
Ausdrücke, so auch Kunst, mehrdeutig sind,
es also verschiedene Gebrauchsweisen des Wortes Kunst gibt, „geht aus dem
Verwendungskontext hervor, welche von den Möglichkeiten im Bedeutungsspektrum
realisiert wird“ (ebd.:
43). Diese im Kontext verwendete Variation der etablierten Bedeutung nennt
Grice die „angewandte zeitunabhängige
Bedeutung“. Um die vorliegende Bedeutung zu erkennen, muss erstens
herausgefunden werden, ob es sich um eine angewandte zeitunabhängige Bedeutung (b.) oder aber um eine
Situationsbedeutung (a.) handelt und zweitens, wenn es sich um (b.) handelt,
welche der Möglichkeiten im Bedeutungsspektrum, das heißt seiner verschiedenen Gebrauchsweisen (seiner Bedeutungen)
hier Anwendung findet.
Wie lässt sich
nun „die zeitunabhängige Bedeutung aus
der Situationsbedeutung ableiten“ (ebd.: 43)? Dazu muss man in dem Erklärungsmodell
den erstmaligen Gebrauch einer Bedeutung durch einen Sprecher annehmen – die
erwähnte Sprecher-Intention als singuläre Bedeutung des Sprechers. Erkennt der
Angesprochene die reflexive Intention, so versteht er sie als die
Situationsbedeutung des Sprechers. Lässt nun der Sprecher diese offensichtlich
recht verständliche Verwendungsweise zur Gewohnheit werden, die von weiteren
Angesprochenen erkannt wird, so unterstellen diese ihm, dass er mit dem
Gesagten auch in der neuen Situation meint, was er zuvor erstmalig gemeint hat:
Es wird angenommen, dass er „ein
bestimmtes Verfahren in seinem Repertoire“ hat (ebd.: 44).
Wenn nun andere
zukünftig „mit dieser Verwendung in
dieser Art von Situation“ (ebd.: 44) rechnen, ist aus der
Sprecher-Bedeutung die etablierte Ideolekt-Bedeutung eines
Ausdruckstyps geworden. Erweitert sich dieser nun so etablierte Sprachgebrauch
einer Person in einem Prozess der unsichtbaren Hand, indem verschiedene Sprecher einer
Gruppe seine Verwendungsweise übernehmen und erweitert sich die Gruppe dann
sukzessive um immer weitere Gruppen, wird sie „zur zeitunabhängigen Bedeutung des Äußerungstyps“ (ebd.: 44).
Das kollektive
Resultat dieses Prozesses ist die etablierte und schließlich konventionelle Bedeutung
eines Ausdruckstyps. Es ist jene „soziale
Kristallisation“, von der der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de
Saussure gesprochen hat: „Zwischen allen
Individuen, die so durch die menschliche Rede verknüpft sind, bildet sich eine
Art Durchschnitt heraus: alle reproduzieren – allerdings nicht genau, aber
annähernd – dieselben Zeichen, an die dieselben Vorstellungen geknüpft sind“
(de Saussure 1967: 15). Hier muss ich nicht mehr, wie beim singulären
Sprachgebrauch, die reflexive Intention erkennen, um zu verstehen, was gemeint
ist, hier „ergibt (sie) sich aus der Verwendung
eines etablierten Sprachmittels“ (Liedtke 2016: 44). Damit ist systematisch
der Prozess beschrieben, der „von der
individuellen Gewohnheit eines Ausdrucksgebrauchs hin zu einer kollektiven
Praxis“ führt (ebd: 44). In diesem intersubjektiv konstituierten
Sprachspiel korreliert die etablierte Verwendungsweise mit einer entsprechenden
Verständnisweise, die eine flüssige und gelungene Kommunikation sicherstellt.
7.
Der Weg von der
singulären hin zur etablierten resp. konventionellen Bedeutung beschreibt den
Weg von der Mikroebene zur Makroebene, von der parole zur langue. Die Betrachtung der Makroebene ist
dabei zwar „prinzipiell unabhängig von
der Mikroebene der sie erzeugenden individuellen Handlungsweisen“ (ebd:
97).
Aber wenn die Makroebene nicht systematisch aus der
Mikroebene hergeleitet wird, so beschreibt man sie bestenfalls, aber man erklärt
sie nicht.
So
wie es bei dem Phänomen des Trampelpfads der Fall ist, so ist es auch bei der
Sprache, dem Sprach- und Bedeutungswandel und der Kultur im Allgemeinen: Sie
alle sind Resultate „des sozialen
Handelns der Individuen“ (ebd.: 98). Allerdings sind sie keine Resultate in
dem Sinne, dass sie finale Stadien des Prozesses ihrer Genese bezeichnen,
sondern „Episoden in Prozessen
kultureller Evolution, die weder einen benennbaren Beginn noch ein benennbares
Ende haben“ (ebd: 99). So sind denn auch die Veränderungen von morgen als „die kollektiven Konsequenzen unseres
kommunikativen Handelns von heute“ (ebd: 105) zu verstehen.
Sprache ist also
als kollektives, kausales, nicht intendiertes, nicht zielgerichtetes und
potentiell endloses Ergebnis millionenfacher individueller intentionaler Handlungen
kein Ergebnis im Sinne eines temporär fixierten Endproduktes: Ihr Seinszustand
ist der einer flüchtigen Episode (auf der synchronen Zeitachse) in einem
zeitlichen Kontinuum (der diachronen Zeitachse). Was aber nicht bedeutet, dass
sie von einem Tag auf den anderen derart radikal gewandelt werden kann, dass es
zwischen einzelnen Personen oder Gruppen einer Sprachgemeinschaft kaum noch
eine Schnittmenge gibt. Es bedarf
jedoch zur Verständnissicherung einer solchen
Schnittmenge,
eines kommunikativen
Mindestmaßes an Kontinuität im Gebrauch bestimmter Äußerungstypen, also einer
Stabilität in der „Art der diachronischen
Identität“ (Keller 2014: 132).
Es leben in der
Regel drei, maximal vier Generationen zur gleichen Zeit. Somit besteht die
Notwendigkeit einer Verständnissicherung, zum Beispiel des Begriff 'Kunst', erst einmal nur für eben jene parallel
lebenden und miteinander kommunizierenden Generationen. Von der ersten zur
fünften besteht sie aus verständlichen Gründen jedoch kaum noch. Bleiben vielleicht
die Signifikanten gleich, so modifizieren sich doch die Bedeutungen in einem Generationen
übergreifenden invisible-hand-Prozess, ohne dass es die daran Beteiligten bemerken.
Das heißt: Von Generation zu Generation wird sich in einem Prozess stetiger
Erneuerung und Wandlung durch die einzelnen Mitglieder der jeweils
nachfolgenden Generation der Anteil des ursprünglichen Verständnisses so weit
reduzieren, dass die erste Generation, würde sie in die fünfte Generation
katapultiert werden, große Schwierigkeiten haben dürfte, das nun bestehende
Verständnis von Kunst als das ihre zu identifizieren. Und das, obwohl so
mancher aus dieser fünften Generation steif und fest behaupten wird, dass es
sich bei dem gegenwärtigen Verständnis von Kunst um nichts Anderes handelt als um
das tradierte Verständnis von Kunst.
8.
Handelt es sich bei
dem generationenübergreifenden Verständnis um ein Phänomen der diachronischen
Identität, so lässt sich ein ähnliches Phänomen als das einer synchronischen Identität
beschreiben. Es zeigt sich immer da, wo zwei Gruppen aufeinandertreffen, deren
Mitglieder nicht einen gemeinsamen
Prozess sozialer Kristallisation durchlaufen haben: Wird ein gemeinsames konjunktives
Denken und Wissen etabliert, so besteht die berechtigte Hoffnung, dass die an
dem Prozess Beteiligten über eine Schnittmenge der Bedeutungen verfügen, dass also
auch ohne reflexiven Rekurs auf die singulären Intentionen ein halbwegs problemloses
intersubjektives Verständnis möglich ist. Jedoch sind alle, die an diesem
Prozess der Etablierung nicht
teilgenommen haben, nicht Teil dessen. Und
verfügen deshalb auch nicht über die entsprechenden Vorbedingungen, die ihnen
ein intuitives, problemloses Verständnis ermöglichen würden. In diesem Fall ist
kein gemeinsamer Verständnishorizont gegeben.
Ein Beispiel zum
Verständnis:
Wir haben den Prozess der kausalen kollektiven,
nicht intendierten und nicht geplanten Konstitution der Kultur der Aborigines, ihres
Kunstverständnisses und der Etablierung ihrer Gebrauchsweise des Wortes Kunst, also der Bedeutung, sowie den
durch diese Gebrauchsweise erzeugten Begriff ‚Kunst‘ nicht durch unsere
Teilhabe mitgetragen und mitverantwortet. Wie wollen wir, die über kein
entsprechendes implizites Erfahrungswissen verfügen, dann vollumfänglich verstehen,
was sie gegebenfalls unter ‚Kunst‘ verstehen?
Mehr noch: Down under ist auch
nearby. Denn ein solches Mismatching liegt prinzipiell dort vor, wo keine
gemeinsame Sozialisation gegeben ist. Es betrifft also nicht nur die Aborigines
und uns, es betrifft auch, in etwas eingeschränkter Weise, den Niederbayer aus
Deggendorf und mich. Oder den Schüler aus einem sozialen Brennpunkt Berlins und
den aus Dahlem.
9.
Wie wir bereits festgestellt haben, ist Sprache immer
Sprache auf zwei verschiedenen Ebenen. Dabei handelt es sich um:
AS : die Mikroebene der
individuellen Handlungsweisen (Ebene der ‚parole‘)
BS : die „Makroebene der sozialen Institutionen“
(Keller 2014: 97)
Sprechen wir von der Sprache auf der Makroebene, sollten wir ebenfalls
zwischen zwei verschiedenen Ebenen differenzieren:
BSa : die Einzelsprache als spezifisches
überindividuelles soziales Sprachsystem (Ebene der ‚langue‘)
BSb : die Sprache als allgemeines überindividuelles soziales
Sprachsystem (‚die Sprache‘)
Auf der
Mikroebene der individuellen Handlungsweisen werden die
Gebrauchsregularien
der Worte konstituiert und als Gebrauchsregeln der Worte
etabliert. Als
kollektives Resultat der
individuellen Handlungen sind sie die Bedeutung der Worte und „erzeugen die Kategorien, nach denen wir
unsere Welt klassifizieren“ (ebd.: 127). Es sind dies die
von den Gebrauchsregeln erzeugten Begriffe. Im Zuge unseres Spracherwerbs und
unserer aktiven Teilnahme an den Sprachspielen einer Sprachgemeinschaft werden
wir als die, die durch unsere individuellen Handlungsweisen auf der Mikroebene
(AS) die Einzelsprache nicht intendiert wandeln, in die jeweilige
Einzelsprache, die Makroebene sozialer Institution (BSa), eingebunden.
Dabei übernehmen wir mit den sprachlich etablierten Klassifizierungen (die wir
unsererseits durch unsere fortgesetzte Teilnahme an eben diesem kulturellen
Prozess beständig weiter mit wandeln) ein ‚kollektives Wissen‘. So auch das um
das jeweilige episodale Ergebnis soziokultureller Evolution namens ‚Kunst‘.
10.
So wie es bei der Sprache eine Mikroebene und eine Makroebene gibt, so
gibt es sie auch bei der Kunst: die Mikroebene des individuellen Kunstschaffens
(AK) und die Makroebene der sozialen Institutionen (BK).
Dabei lassen sich, unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit, mindestens die
folgenden vier Gebrauchsweisen des Wortes Kunst
identifizieren und differenzieren, die auf Phänomene der Mikroebene (AK)
referieren:
AK.1 : bezogen auf die
subjektive Befindlichkeit (‚Er lebt seine Kunst.‘)
AK.2 : auf den eigentlichen Prozess des Kunstschaffens (‚Malen ist Kunst.‘)
AK.3 : auf das konkrete Werk (‚Das ist Kunst!‘)
AK.4 : das gesamte Oeuvre (‚Seine Kunst ist in vielen Genres zu Hause‘)
AK.2 : auf den eigentlichen Prozess des Kunstschaffens (‚Malen ist Kunst.‘)
AK.3 : auf das konkrete Werk (‚Das ist Kunst!‘)
AK.4 : das gesamte Oeuvre (‚Seine Kunst ist in vielen Genres zu Hause‘)
Zudem lassen sich mindestens drei verschiedene Gebrauchsweisen des
Wortes Kunst identifizieren und differenzieren,
die auf Phänomene der Makroebene (BK) referieren:
BK.1 : Kunst als
episodales Ereignis einer spezifischen überindividuellen sozialen Institution (so
z.B. Stile in der Musik: Jazz, Rap, Klassik…; Medien in der bildenden Kunst:
Performance, Malerei, Fotografie…)
BK.2 : Kunst als spezifische überindividuelle soziale
Institution (Kunstgattungen, z.B. die Musik, die bildende Kunst, das Theater…)
BK.3 : Kunst als allgemeine überindividuelle soziale
Institution (‚die Kunst‘ – auch auf dieser Ebene gibt es sie nur als ein mass noun, als ein nicht zählbares
Substantiv)
Die verschiedenen Gebrauchsweisen des Wortes Kunst erzeugen ihrerseits jeweils einen je spezifischen Begriff
‚Kunst‘, der wiederum mutmaßlich einem spezifischen Begriffstypus entspricht (ein
Beispiel ist Wittgensteins ‚Begriff mit verschwommenen Rändern‘ oder mit
Familienähnlichkeitsstruktur). Von diesen etablierten Gebrauchsweisen des Wortes
Kunst logisch zu unterscheiden ist
der Prozess der Zuschreibung, also der aktuale Akt der Attribution von etwas als
Kunst in der Synchronie wie auch in der
rückblickenden Diachronie. Der wohl am häufigsten anzutreffende Fall der Zuschreibung
ist der der Benennung eines einzelnen Werkes als Kunst (AK.3). Aber ebenso kann eine solche Zuschreibung
das Oeuvre eines Künstlers betreffen (AK.4), einen Stil oder ein
Medium (BK.1) oder auch eine Gattung (BK.2).
Diese aktualen
Akte der Attribution sind, da sie stets in den Kontext einer spezifischen Epoche, Kultur und
Gesellschaft eingebettet sind und nie von diesem losgelöst stattfinden können,
grundsätzlich perspektivisch. Gleiches gilt auch für die Zuschreibung eines
Werkes einer anderen Epoche oder Kultur als Kunst
– sie erfolgt notwendigerweise aus einer solch kontextuell gebundenen Warte. Zuschreibungen
sind somit prinzipiell relativ, nie absolut. Und da sie zu einem aktualen
Zeitpunkt Z überall auf der Welt in anderen Kulturen, Gesellschaften und
partikularen Gruppierungen in ähnlicher Weise erfolgen, liegen Zn
Zuschreibungen vor, die sich ins Unendliche potenzieren, da ein aktualer
Zeitpunkt ja nur eine einzige Episode im historischen Kontinuum darstellt.
Strukturell kann auch eine Zuschreibung die Etablierung einer neuen
resp. gewandelten Gebrauchsweise des Wortes Kunst
initiieren: ausgehend vom singulären Gebrauch handelnder Individuen. Bei
konstanter Zuschreibung von etwas als Kunst
durch das handelnde Individuum kann sich eine gewisse Regelhaftigkeit ergeben,
der sich unter Umständen nach und nach andere Personen zustimmend anschließen.
Das kollektive, nicht intendierte und nicht geplante Resultat dieser
individuellen Zuschreibungen und Zustimmungen kann sein, dass zu einem
bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Gruppe ein bestimmtes Werk (oder auch: ein
Oeuvre, ein Stil, Medium oder Gattung) in gleicher Weise als Kunst bezeichnet. Diese Gruppe kann sich
stetig erweitern, so dass zu einem weiteren Zeitpunkt eine ganze Gesellschaft
(Kultur; Epoche) ein bestimmtes Werk (oder eben auch: ein Oeuvre, ein Stil,
Medium oder Gattung) übereinstimmend als Kunst
bezeichnet. Was aber noch lange nicht bedeutet, dass die Mitglieder dieser
Gesellschaft auch hinsichtlich ihrer Gebrauchsweise des Wortes Kunst übereinstimmen (wer kann schon
ermessen, welchen bedeutungsdifferenzierenden Beitrag Konnotationen,
konversationelle und konventionelle Implikaturen, individuelle Assoziationen
oder die spezifische Ausprägung der Lebenswelt mitsamt des nicht zu
explizierenden impliziten Erfahrungswissens bei dem Einzelnen leisten?).
Dieser Prozess
der Zuschreibung erfolgt nicht nur bei singulären Ergebnissen individuellen Kunstschaffens
innerhalb der gleichen Gesellschaft oder Kultur, also bei konkreten Artefakten
wie einem klassischen Musikstück, einer Videoinstallation, einem Gemälde oder einem
Roman, er erfolgt in gleicher Weise auch hinsichtlich analoger Ergebnisse anderer
Gesellschaften und Kulturen. Gleiches geschieht aus unserer Perspektive bei vergangenen
singulären Ergebnissen individuellen Kunstschaffens innerhalb der gleichen wie
auch der anderer Gesellschaften oder Kulturen. Ebenso bei episodalen Ereignissen
spezifischer überindividueller sozialer Institutionen sei es eigener, anderer
oder vergangener Kulturen – so wird von uns in der Musik Jazz, Rock, Klassik, der
gregorianische Choral oder auch der Khöömej, der tuwinische und mongolische
Kehlgesang, als Kunst attribuiert. Wie
auch das klassische japanische Theater (deren episodale Formen das buddhistisch
geprägte No oder das aus Gesang, Pantomime und Tanz bestehende Kabuki
darstellen) auf der Ebene der spezifischen
überindividuellen sozialen Institutionen. Oder unsere Attribution sozialer
Institutionen als Kunst, deren Zweck
wir nur noch mit Hilfe anthropologischer Spekulation erahnen können wie zum
Beispiel die Höhlenmalerei aus Altamira oder die unvergleichliche Venus von
Willendorf.
Es lässt sich also sagen, dass es nicht exponierten
Vertretern der sozialen Gruppe ‚Kunstexperten‘ obliegt,
welches Werk zur Kategorie der
‚Kunstwerke‘ zu zählen ist und welches nicht (das heißt: was als Kunstwerk zu bezeichnen ist oder nicht).
Ebenso wenig obliegt es dieser heterogenen Gruppe, den Anspruch zu erheben,
dass ein gegebenenfalls innerhalb dieser Gruppe diskursiv erzieltes kollektives
Resultat, also eine in ihren Reihen allgemein akzeptierte Zuschreibung eines
Werkes als Kunstwerk, die von nun an
für alle oder für eine bestimmte Sprachgemeinschaft mehr oder weniger verbindlich ist. Und noch viel weniger
obliegt es allen anderen Sprechern (mir schon gar nicht) einer natürlichen
Sprache, eine solche Feststellung mit dem Anspruch zu treffen, sie sei in
irgendeiner Form oder für irgendjemanden verbindlich: Die Feststellung, welches
Werk zu einem Zeitpunkt x in einer Kultur/Gesellschaft/ Sprachgemeinschaft y
verbindlich als Kunstwerk bezeichnet
wird, obliegt einzig und allein der unsichtbaren Hand.
11.
Wenden wir uns zum besseren Verständnis für einen
Moment einem durch Wittgenstein klassisch gewordenen Beispiel zu:
Der Begriff
‚Spiel‘ wird durch die Gebrauchsregeln des Wortes Spiel erzeugt. „(D)ie Komprehension des Begriffs
‚Spiel‘ (vermögen wir) nicht ‚vorab‘ zu klassifizieren, denn die Klassifikation
ist zum Teil ad hoc“
(Keller 2018: 123), wobei die Komprehension „die
Menge aller möglichen (der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen) Gegenstände,
die unter einen Begriff fallen“ (ebd.: 119) bezeichnet: „Zur Menge der Spiele gehört, was die
Sprachgemeinschaft ‚Spiel‘ nennt“ (ebd.: 123). Ähnliches
scheint mir auch für die Gebrauchsregeln des Wortes Kunst, das bei der Attribution von Werken Anwendung findet, und den
durch sie erzeugten Begriff ‚Kunst‘ zu gelten: Die Komprehension des Begriffs ‚Kunst‘ ist nicht
‚vorab‘ zu klassifizieren, denn die Klassifikation ist zum Teil ad hoc.
Das heißt in der Konsequenz:
Zur Menge der Kunstwerke gehört das, was die Sprachgemeinschaft, als Resultat eines Prozesses der unsichtbaren Hand, Kunst nennt (hier befinden wir uns auf der Ebene AK.3 der Gebrauchsweisen des Wortes Kunst).
Zur Menge der Kunstwerke gehört das, was die Sprachgemeinschaft, als Resultat eines Prozesses der unsichtbaren Hand, Kunst nennt (hier befinden wir uns auf der Ebene AK.3 der Gebrauchsweisen des Wortes Kunst).
Begriffe dieser Art nennt
Wittgenstein ‚Begriffe mit verschwommenen Rändern‘. Bei ihnen gibt es „weder scharfe Grenzen dafür (…), was unter
die Kategorie fällt und was nicht, noch einheitliche Kriterien“ (Keller
2018: 110). Oftmals ziehen wir im Gebrauch ad hoc Grenzen. Das heißt Grenzen,
die noch nicht gezogen wurden und die ich bei anderer Gelegenheit vielleicht
woanders ziehen würde. Und ein anderer bei dieser Gelegenheit auch. So sind in
der Alltagssprache ein Großteil der Worte konzipiert. Ihre Vagheit und
Unschärfe ist aber durchaus kein Manko, sie geben mir in bestimmten Situationen
vielmehr einen Ermessensspielraum im Gebrauch und ermöglichen so eine reibungslose
Kommunikation. Vagheit wäre dann nicht Ausdruck eines Defizits, sondern läge in
der „Logik solcher Begriffe“ (ebd.:
121).
Diese Vagheit zeitigt noch ein
weiteres Phänomen: eine Paradoxie. Ich bin aufgrund meiner kulturell erworbenen
Sprachkompetenz in der Lage zu sagen, ob der Satz ‚x ist ein Spiel‘ wahr oder falsch ist: Ich ordne ihm den Wahrheitswert
zu, den ihm eine Sprachgemeinschaft gemeinhin zuordnet. Nun habe ich aber einen
gewissen Ermessensspielraum, sowohl bei diesen Begriffen als auch bei solchen
mit Familienähnlichkeitsstruktur: „Was
‚Haus‘ von ‚Primzahl‘ unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich in einigen
Fällen selbst entscheiden darf, ob ein Gebäude zu den Häusern zu zählen ist
oder nicht, aber nicht entscheiden darf, ob etwa die Zahl 0 zu den Primzahlen
zu zählen ist oder nicht“ (ebd.: 137). Das kann zu paradoxen
Konstellationen führen. So, wenn Person A dem Satz im Einklang mit der gemeinhin
akzeptierten Zuschreibung ‚x ist ein
Spiel/ein Haus/ein Kunstwerk‘ den Wahrheitswert ‚wahr‘ und die Person B diesem
Satz jedoch den Wahrheitswert ‚falsch‘ zuschreibt. Das heißt, die Aussage ‚x ist ein Spiel/ein Haus/ein Kunstwerk‘ könnte,
ohne dass es ein Widerspruch wäre, zur gleichen Zeit zugleich wahr und falsch sein. Doch damit nicht genug: Nicht
auszudenken, wenn sich herausstellen sollte, dass der Gebrauch des Wortes Kunst bei der Zuschreibung eines Werkes
als Kunst womöglich keinen Begriff
mit verschwommenen/unscharfen Rändern und/oder mit Familienähnlichkeitsstruktur
generiert, sondern einen Begriffstypus, den Keller ‚Kollektivbegriff‘ nennt –
die Wörter Spielzeug, Möbel oder Geschenk sind typische Beispiele dafür. Dieser Begriffstypus lässt
keine Zuordnung von Wahrheitswerten
zu, denn „(a)lles, womit Menschen spielen
können, kann gegebenenfalls Spielzeug sein“ (ebd.: 126; kann nicht heute auch
alles Kunst sein?).
Selbstverständlich
kann jeder jederzeit für sich in
Anspruch nehmen, verbindlich sagen zu können, was Kunst ist und wann ein Werk
ein Kunstwerk ist (also ad hoc
Grenzen ziehen). Aber selbst mit den stichhaltigsten Argumenten, die die
Kunstwelt je gehört hat,
lässt sich der Aussage ‚Dieses Werk ist ein Kunstwerk‘ kein Wahrheitsanspruch zuschreiben,
der für alle verbindlich ist. Womöglich noch ‚per se‘, weil man
insgeheim den wie auch immer gearteten Bestand eines immerwährenden Wesens
namens ‚Wesen‘ imaginiert, das jedem früheren, heutigen oder kommenden Werk innewohnt.
Eine Eigenschaft, die, würden wir sie je klar definieren können, uns dazu
befähigen würde, nicht nur Werke vergangener Zeiten, sondern auch aktuelle und selbst
künftige eindeutig, für alle Zeit und über alle Kulturen hinweg als Kunstwerk zu identifizieren und die die
für uns alle verbindliche, ewig gültige Antwort auf die essentialistische Frage
‚Was ist Kunst?‘ gäbe.
Hält man nun demgegenüber die Annahme eines solchen überzeitlichen, überkulturellen, überindividuellen und über alle Künste hinweg bestehenden Wesens namens ‚Wesen‘ für fragwürdig, das – erstens – als gemeinsame Eigenschaft jedem früheren, heutigen oder kommenden Werk in irgendeiner Weise inhärent ist und quasi naturgegeben ein Werk als Kunstwerk qualifiziert, unabhängig von jeder menschlichen Beurteilung und Zuschreibung (erst als etwa um 1800 die Konstitution des nicht zählbaren Substantivs ‚Kunst‘ als alle Künste umfassender Oberbegriff [die Komprehension: alle möglichen, also alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Künste] die Konzeption einer ‚Kunst als solchen‘ möglich machte, konnte die Frage nach dem Wesen ‚der Kunst‘ (BK.3) Was ist Kunst? überhaupt erst gestellt werden) und das – zweitens – ganz unabhängig von den unzähligen spezifischen, sich stets wandelnden und damit relativen Sichtweisen ‚präexistiert‘, die sich auf Basis verschiedenster lebensweltlicher Faktoren in den Kulturen und Gesellschaften als episodale Ereignisse in einem kollektiven Prozess ergeben, dann lässt sich die Frage ‚Was ist Kunst?‘ nicht mehr verbindlich beantworten. Ja, sie lässt sich nicht einmal mehr in dieser Form sinnvoll stellen. Wer also an dieser Frage festhalten will, muss zunächst einmal die Frage nach jener mysteriösen gemeinsamen Eigenschaft der Kunstwerke stellen. Wer nicht imstande ist, diese verbindlich zu beantworten, wird auch bei jener scheitern. Dies führt uns zurück zu den Menschen und ihren relativen Sichtweisen resp. zur relativen Gültigkeit evaluativer Aspekte, in deren Konsequenz die Frage ‚Was ist Kunst?‘ neu formuliert werden muss: Was ist wann für wen Kunst?
Hält man nun demgegenüber die Annahme eines solchen überzeitlichen, überkulturellen, überindividuellen und über alle Künste hinweg bestehenden Wesens namens ‚Wesen‘ für fragwürdig, das – erstens – als gemeinsame Eigenschaft jedem früheren, heutigen oder kommenden Werk in irgendeiner Weise inhärent ist und quasi naturgegeben ein Werk als Kunstwerk qualifiziert, unabhängig von jeder menschlichen Beurteilung und Zuschreibung (erst als etwa um 1800 die Konstitution des nicht zählbaren Substantivs ‚Kunst‘ als alle Künste umfassender Oberbegriff [die Komprehension: alle möglichen, also alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Künste] die Konzeption einer ‚Kunst als solchen‘ möglich machte, konnte die Frage nach dem Wesen ‚der Kunst‘ (BK.3) Was ist Kunst? überhaupt erst gestellt werden) und das – zweitens – ganz unabhängig von den unzähligen spezifischen, sich stets wandelnden und damit relativen Sichtweisen ‚präexistiert‘, die sich auf Basis verschiedenster lebensweltlicher Faktoren in den Kulturen und Gesellschaften als episodale Ereignisse in einem kollektiven Prozess ergeben, dann lässt sich die Frage ‚Was ist Kunst?‘ nicht mehr verbindlich beantworten. Ja, sie lässt sich nicht einmal mehr in dieser Form sinnvoll stellen. Wer also an dieser Frage festhalten will, muss zunächst einmal die Frage nach jener mysteriösen gemeinsamen Eigenschaft der Kunstwerke stellen. Wer nicht imstande ist, diese verbindlich zu beantworten, wird auch bei jener scheitern. Dies führt uns zurück zu den Menschen und ihren relativen Sichtweisen resp. zur relativen Gültigkeit evaluativer Aspekte, in deren Konsequenz die Frage ‚Was ist Kunst?‘ neu formuliert werden muss: Was ist wann für wen Kunst?
12.
Wird ein Werk nicht einem der
etablierten Elemente der Kategorie ‚Kunst BK.1 : Stile und Medien‘ zugerechnet, das von einer Sprachgemeinschaft zu einem
bestimmten Zeitpunkt übereinstimmend als Kunst
bezeichnet wird, so stellt sich die Frage, ob ein Werk Kunst und damit ein
Kunstwerk ist (hier befinden wir uns auf der Ebene AK.3
der Gebrauchsweisen des Wortes Kunst), gar
nicht. So wird ‚Kugelstoßen‘ in unserem Sprachspiel derzeit nicht zur Kategorie
‚Kunst BK.1 : Stile und Medien‘ gezählt.
Ergo kann auch der formschönste Kugelstoß eines Kugelstoßers, der sich überhaupt
nur denken lässt, derzeit kein
Kunstwerk sein. Gleichwohl kann ich aber durchaus die abweichende Ansicht vertreten,
dass dem doch so ist. Und, wer weiß, vielleicht wird ja meine etwas schrullige Minderheitenmeinung,
meine singuläre ad-hoc-Grenzziehung, eines schönen Tages im Zuge eines
Prozesses der unsichtbaren Hand mehrheitsfähig, der Kugelstoß also zum
Kunstwerk avancieren: „Nichts spräche
dagegen, Jagd oder Wettangeln zu den Spielen zu zählen. Aber wir tun es nun mal
nicht“ (Keller 2018a: 108, auch 123).
Was aber, wenn dereinst dieser
aus heutiger Sicht befremdlich erscheinende Fall eintritt und Kugelstoßen zur
Kunst wird? Dann müsste die Antwort auf die essentialistische Frage ‚Was ist Kunst?‘ diesen Fall, wie auch jeden weiteren, und sei er noch so
abwegig, vorausschauend einbeziehen. Anders gesagt: Es dürfte nie einen Fall
geben, der die ausstehende Antwort auf diese Frage falsifiziert. Die wesentliche Eigenschaft, die Kunst als
Kunst qualifiziert, müsste, wie für jede andere Kunst, dann auch fürs
Kugelstoßen gelten. In westlichen Diskursen dürfte Konsens darüber bestehen,
dass, solange ein Werk nicht einem
etablierten Element der Kategorie ‚Kunst BK.1 : Stile und Medien‘ zugerechnet
wird, in unserem Sprachspiel auch nicht die Möglichkeit besteht, dieses Werk auf Basis allgemeiner Akzeptanz als Kunst
resp. Kunstwerk zu adeln (Ebene AK.3 der
Gebrauchsweisen des Wortes Kunst). Nun stellt aber allein die
Möglichkeit, dass das gleiche Werk vielleicht morgen schon ganz
selbstverständlich einem Element dieser Kategorie zugerechnet wird und ihm damit die Option eröffnet wird, als
‚Kunstwerk‘ geadelt zu werden, die Annahme eines allen Kunstwerken gemeinsamen
immerwährenden ‚Wesens‘ grundsätzlich in Frage (und damit eben auch die Frage
nach ihm): Die Bezeichnung Kunst ist
kontingent – Kunst ist jeweils das, was in allgemeiner Übereinstimmung innerhalb
einer Sprachgemeinschaft Kunst genannt
wird.
Die Frage nach vorfindlichen Kriterien, wie wir verbindlich ein
Kunstwerk als Kunstwerk erkennen können, stellt sich also nicht. Nicht nur,
weil es keine gibt. Sondern auch, weil der Umstand, dass etwas als ein
Kunstwerk gilt, Resultat eines nachträglichen
Vorgangs ist: einer Zuschreibung. Genauer gesagt: Wir sind als Rezipienten im
kollektiven Verbund systematisch in das Sprachspiel der Bestimmung eines Werks
als Kunstwerk beteiligt: „Der Mitspieler
gehört zum Spiel“ (cf. Gadamer 2012: 42).
Nun müssen wir sehen, dass dieses Sprachspiel kein isoliertes
linguistisches Phänomen ist. Es ist vielmehr eingebettet in das Gesamtkonstrukt
unserer anthropologisch konstituierten Lebenswelt. In ihm nötigt
uns das
Spiel der Kunst zur „participatio“, zur „innere(n) Teilnahme an dieser sich
wiederholenden Bewegung“ (Gadamer 2012: 39). Es vereinnahmt mich, fordert
mich zum Mitspielen auf. Mit-Spielen bedeutet „ein ständiges Mit-tätig-Sein“ (ebd.: 44). Es ist
damit konstitutiver Teil. Beide, Spieler wie Mitspieler, sind teilnehmende Zuschauer, nicht teilhabende Beobachter. Teilhabe bedeutet passives sich
Berieseln lassen, Teilnahms-losigkeit. Teilnahme hingegen bedeutet aktives
Teil-Sein: Ich bin Teil des Spiels.
Im
kommunikativen Tun wird der Abstand „zwischen
dem, der da spielt, und dem, der sich dem Spiel gegenübersieht“ (ebd.: 39),
durchbrochen, wird „der Abstand des Beschauers in das Betroffensein
als Mitspieler“ (ebd.: 40) verwandelt: Im Spiel entsteht etwas
Gemeinsames. Wie im religiösen Lebenszusammenhang, vom kultischen Tanz bis zu
der „als Darstellung gemeinten Begehung
des Kultes“ (ebd.: 39). Und wie später im Theater, „das aus diesem Kultzusammenhang als seine Darstellung herauswuchs“
(ebd.: 39). Wir finden in allen menschlichen Spielformen,
und das gilt auch „für die Spiele der
Kunst“ (ebd.: 41), „eine erste
Erfahrung von Vernünftigkeit, etwa im Befolgen selbstgesetzter Regeln, in der
Identität dessen, was man zu wiederholen sucht“ (ebd.: 40) – diese
Identität ist „die hermeneutische
Identität des Werkes“ (ebd.: 41). Sie stiftet die Werkeinheit, die eben
nicht „Abgeschlossenheit gegenüber dem,
der sich dem Werk zuwendet und von ihm erreicht wird, bedeutet“ (ebd.: 41).
Im Gegenteil. Dies ist für mich als Mitspieler die „wirkliche Erfahrung eines Kunstwerks“ (ebd.: 42) – und nur der, „der ‚mitspielt‘, d. h. der seine eigene Leistung aufbringt, indem er
tätig ist“ (ebd.: 42), ist zu dieser Identifikationsleistung imstande.
Auch wenn es
sich bei der ‚Forderung‘ des Werkes nicht um eine Forderung der Art handelt, die
durch ein rationales, selbsttätig agierendes Wesen gestellt wird – die Zuschauer,
Zuhörer, Leser fassen in der Rezeption das Erfahrene als eine Auf-Forderung auf,
die „eine Antwort (verlangt), die nur von
dem gegeben werden kann, der die Forderung annahm“ (Gadamer 2012: 42). Es
ist dies die selbsttätig erbrachte Antwort des zum Spiel gehörenden Mitspielers:
„Die Kunst ist Verführung, nicht
Vergewaltigung. Aber sie kann nicht verführen, wenn die Mitwirkung des
erlebenden Subjekts ausbleibt“ (Sontag 2015: 37). Das erlebende Subjekt ist
also konstitutiv, ohne ihn ist kein Spiel. Also auch kein Spiel der Kunst, mithin
kein Kunst-Werk. Nur Werk ohne verstehendes ‚Mit-tätig-Sein‘.
Das Werk
abstandslos im teilnehmenden Mitspielen als das zu identifizieren, was es war
oder was es ist, heißt, es in seiner ‚hermeneutischen Identität‘ zu
‚verstehen‘. Diese Form des Verstehens „schließt
ferner mit ein, dass solche Identität mit Variation und mit Differenz zu
verknüpfen ist“ (Gadamer 2012: 43). Damit lässt jedes Werk „gleichsam für jeden, der es aufnimmt, einen
Spielraum, den er ausfüllen muss“ (ebd.: 43). Ich als Mitspieler bin eben
nicht Teilhaber, sondern Teilnehmer, der im Ausfüllen des Spielraums kongenial
agiert. Es ist also nicht der genialischen Einzigartigkeit eines Künstlers geschuldet,
dass es Kunstwerke gibt – es bedarf strukturell prinzipiell eines Mitspielers,
um aus einem Werk ein Kunst-Werk werden zu lassen. Ein Umstand, der logisch vom
Akt der Zuschreibung von etwas als ‚Kunst‘ zu unterscheiden ist: Hier wird das
Kunst-Werk zum Kunstwerk. Im Moment der Rezeption wird also der Andere zum
Mitspieler. Erst durch diese Rezeption, „durch
die Handlung des Betrachters entsteht ein Werk (in meiner Begrifflichkeit:
ein Kunst-Werk; S.O.)“, so Franz
Erhard Walter. Und mit jeder dieser Rezeptionen entstehen weitere Werke: „Ein tausendmal gelesenes Buch – das sind
tausend verschiedene Bücher“ so Andrej
Tarkowskij in seiner Schrift ‚Von der Verantwortung des Künstlers‘. Ganz so
weit wie Walter würde ich nicht gehen wollen: Durch den Betrachter entsteht
nicht das Werk, er reagiert vielmehr subjektiv auf ein bereits vollendetes
Werk, das aber ohne Rezeption, also ohne ein Mitspielen, so etwas ist wie die
Sprache, die ohne einen Angesprochenen keine Sprache ist, sondern bestenfalls
eine Abfolge von Lauten. Durch ihn aber wird das Werk zum Kunst-Werk in der je
individuellen, immer wieder neu erfolgten Rezeption.
Das heißt: Der Künstler ist es, der ein Werk erschafft und vollendet. Allein – dies nutzt ihm gar nichts. Denn ohne den Anderen, den Mitspieler, den Rezipienten, also denjenigen, mit dem er im ontogenetisch etablierten und internalisierten Kontext sozialer Interaktion und geteilter Intentionalität agiert (cf. Michael Tomasello: Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation), ohne sich selbst als reflektiertes Wesen, das sich selbst zum Anderen, zum Betrachter, Leser, Zuhörer wird, ist das Werk im Grunde nicht viel mehr als ein grober Klotz. Töne. Kritzeleien. Erst dadurch, dass der Mensch kontextuell und lebensweltlich eingebunden und nie allein ist (selbst wenn er allein ist), kann ein Klotz Werk sein. Die subjektive Rezeption, die den Rezipienten zu einer individuellen Zuschreibung des Werks als Kunstwerk einlädt, lässt ein Werk erst zum Kunst-Werk werden. Und allein durch den Prozess der unsichtbaren Hand wird aus jenen gleichgerichteten individuellen Zuschreibungen im kollektiven Verbund die intersubjektiv in einer Gemeinschaft, in einer Kultur, in einer bestimmten Zeit etablierte Auffassung, dass es sich bei dem Werk um ein Kunstwerk handelt – dies beschreibt die Ebene AK.3 der Gebrauchsweisen des Wortes Kunst. Wir haben demnach auf der horizontalen Ebene des Artefakts strukturell vier Aggregatzustände einer Entität zu differenzieren:
1.
Klötze, Klumpen,
Krach und Kritzeleien ->
Das
faktische Artefakt: kontextlos und damit rein hypothetisch gegeben.
2.
Werk ->
Das
im lebensweltlichen, intersubjektiven Kontext entstandene, unrezipierte
Artefakt des Künstlers (vom physischen bis zum konzeptuellen Objekt).
3.
Kunst-Werk ->
Die
teilnehmende Rezeption des Werks durch den Mitspieler, mit der ein Werk immer
neu aufgefasst, gesehen, gelesen, gehört und mit immer neuen Assoziationen in
Verbindung gebracht wird (cf. Friederike Wapplers Ausführungen zu Franz Erhard Walther
‚Der Prozess, die Erfahrungen sind Werke‘ [Wappler 2013: 14ff.]). Der Schritt
nach dieser assoziativ grundierten, teilnehmenden Rezeption ist die
interpretierende Rezeption.
4.
Kunstwerk ->
a. Die individuelle
Zuschreibung von etwas als Kunstwerk erfolgt im Rahmen eines singulären Aktes.
Aus der Vielzahl der gleichgerichteten Zuschreibungen resultiert in einem
kollektiven Prozess der unsichtbaren Hand als episodales Ereignis –> b.
b. Die kollektive
Zuschreibung von etwas als Kunstwerk (AK.3).
Demnach wird das
Werk einerseits nicht „durch die
Subjektivität des Lesers als Werk allererst konstituiert“ (Schmücker 2014:
226), andererseits aber sehr wohl: Ein Werk braucht erstens – strukturell – zu
seinem Bestand als Werk das Da-Sein des Anderen. Und es benötigt zweitens –
faktisch – zu seinem Bestand als Kunst-Werk die unmittelbare subjektive
Rezeption, bei der es sich in der ersten, unmittelbaren Begegnung nicht um eine
rational vermittelte Interpretation, sondern um die Inspiration zur Assoziation
handelt. Drittens: Durch die Inspiration zur Assoziation wird das Werk nicht als dieses eine Werk erst
konstituiert resp. vollendet – es entsteht jedoch im Moment der subjektiven
Rezeption für einen Moment ein je neues Kunst-Werk, neues Buch, neues Tonstück,
das in der Tat kaum interpretierbar ist (dieser
Werkbegriff ist also in gewisser Weise sowohl ein exklusiver als auch ein
inklusiver).
Es gibt also nur
genau ein Werk, ein Artefakt (welchen ontologischen Status es auch immer
besitzen mag). Dessen Urheber ist der Künstler. Dieser ist aber „keineswegs der Urheber des Kunstwerks“
(ebd.: 233). Dessen ‚Urheber‘ ist in
gewisser Weise das Kollektiv im Sinne eines nicht intendierten kollektiven
Resultats individueller Zuschreibungen, die alles mögliche zum Ziel haben, aber
sicher nicht die Etablierung einer intersubjektiv verbindlichen Auffassung
eines Werks als Kunstwerk. Neben dem Werk und dem Kunstwerk gibt es, wie
beschrieben, noch die Kunst-Werke als individuelle Resultate unendlich vieler
verschiedener Inspirationen zu Assoziationen dieses einen Werks. Diese mit
jeder unmittelbaren Rezeption stets neu konstituierten, rein subjektiven
Kunst-Werke haben jedoch keinerlei physische Präsenz, sind von rein mentaler
Existenz. Zudem haben sie keine Dauer, sind flüchtig, transitorisch.
Unwiderbringlich:
Wer weiß
schon, ob das, was ich erinnere, das ist, was ich dachte?
1 Diese Skizze folgt im
Wesentlichen der Theorie des Sprachwandels, die der Linguist Rudi Keller in
seinem Werk ‚Sprachwandel - Von der unsichtbaren Hand in der Sprache’
formulierte
(Den Begriff der unsichtbaren Hand (engl. invisible hand) führte der
englische Nationalökonom Adam Smith in seinem Werk ‚Der Wohlstand der Nationen‘
ein [Smith 1978: 371]). Sie ist das Exzerpt einer umfangreicheren Abhandlung, die diesem
Thema gewidmet ist.
2 Carl Andre bemerkte einmal in einem
Gespräch: „Vor langer Zeit habe ich
einmal gesagt, dass die ideale Skulptur für mich eine Straße ist. Doch noch
besser ist ein Pfad, der auf einem leeren Feld entsteht, wenn Menschen es
diagonal überqueren. Das ist wahre kollektive Kunst“ (Kölle 2007: 101). So
findet das Bild des Trampelpfads auch Eingang in die Kunst.
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(08.02.2017): Germanistik in der Krise? Der eierlegende Wollmilchgermanist wird
dringend gesucht, online unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/germanistik-in-der-krise-der-eierlegende-wollmilchgermanist-wird-dringend-gesucht-14865806-p3.html,
abgerufen am 14. Juli 2017
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