Denk ich an Heine in der Nacht
Anfang der 80er, als die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität
noch schnöde ‚Universität’ hieß, pinselte in einer Nacht- und Nebelaktion die
Studentenschaft ein gut 10 Meter großes Konterfei Heines auf die geschwungene Außenwand
des Hörsaals 3A. Ein Mahnmal im wahrsten Sinne des Wortes, weithin sichtbar auf
dem Campus, direkt am stark frequentierten Weg zur Mensa gelegen.
Flugs sah sich eine aufgeschreckte Verwaltung
dazu veranlasst, diesen ungeheuerlichen anarchischen Akt zu tilgen und zu übertünchen.
Wehret den Anfängen, dachte man sich wohl in den Amtsstuben. Und bloß keinen
Gedanken an Gedanken abseits behördlich vorgeschriebener Wege verschwenden.
Womit die werten Damen und Herren
jedoch nicht gerechnet hatten: Nach jedem kräftigen Regenguss trockneten die Farben
und der Beton in leicht unterschiedlichen Zeiträumen. Statt, wie gewünscht, wieder
Grau in Grau zu glänzen, tauchte plötzlich, wie aus dem Nichts, für eine halbe
Stunde der gute Harry Heine wieder auf.
Hämisch grinsend, wie mancher meinte
erkennen zu können. Und das nach jedem Schauer. Als wiederkehrende Mahnung, nicht
stets den gewohnten Gang zu gehen. Den ewig
gleichen Trott, gleichförmiges Kontinuum des grauen Alltags. Sondern, und sei
es nur für einen kurzen Moment, innezuhalten. Nachzudenken. Seine Gedanken zu ordnen.
Zu gliedern und ‚zergliedern’: „etwas
(besonders ein organisches Ganzes) in seine Teile zerlegen (um seine
Beschaffenheit zu ergründen)“. Gliedern, um zu gliedern, lat. „articulare“: Gedanken, die, artikuliert,
zu Worte werden.
Man muss dann eigentlich nur noch den
Mund aufmachen.
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