Samstag, 17. September 2016


Unerhörte Gedanken, Teil 3



1.

Gott sei Dank.

Es gibt sie noch, diese aufrechten Menschen mit gesundem Menschenverstand. Die imstande sind, die unumstößlichen Wahrheiten und ehernen Gesetze des Miteinanders in einfache, unmissverständliche Worte zu fassen.

So jemand ist Viktor Orban, der amtierende ungarische Ministerpräsident. Er hat der weltfremden Diskussion um die Integration von Flüchtlingen, die derzeit geführt wird, ein ultimatives Ende bereitet. Dank seiner unendlichen Weisheit wissen wir nun verbindlich:

Jeder Migrant, der kommt, stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ein Terrorrisiko dar.

Punkt. Aus. Ende der Diskussion.

(Da fällt mir mit Schrecken ein: Was ist eigentlich mit den ‚Horden von Migranten’, die zwischen 1953 und 1989 auch aus Ungarn, der CSSR und DDR zu uns kamen? Und dem ‚Migrationstsunami’ nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime im Ostblock? Hundertausende von Migranten, alle untergetaucht und hier als Schläfer im Terroreinsatz??!)




2.

Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen.

Dieser Satz hat mich jahrelang begleitet, damals, als ich als Pennäler mit dem Bus zur Schule fuhr. Wie ein Menetekel prangte er dort am Ende des Ganges, hoch über dem Fahrer. Unübersehbar. Eine eindringliche Mahnung für alle, die den Bus betraten. So auch für mich. Geradezu ehrfurchtsvoll habe ich mich all die Jahre daran gehalten. Weniger, weil ich des Busfahrers knarzige Stimme aus dem Lautsprecher fürchtete, der jedwede Zuwiderhandlung mit einer gebellten Verbalnote ahndete. Nein, weil mir als Kind die Mahnung völlig plausibel erschien. Schließlich wollte ich ja, dass mich der Fahrer, durch nichts und niemanden abgelenkt, sicher zur Schule brachte.

Ein kategorischer Satz, wie in Stein gemeißelt. Nur dass sich im Zeitalter der mobilen Kommunikation niemand mehr daran hält. Auch nicht die Fahrer. Und erst recht nicht die StVO. Denn die erlaubt es Fahrern, über eine Freisprechanlage während der Fahrt mit Anrufern zu sprechen.

Das Kind in mir ist erschüttert.




3.

Die ersten durch den Klimawandel verursachten irreversiblen Schäden lassen sich nicht mehr wegdiskutieren, kaum jemand bestreitet noch ernsthaft die gewaltigen politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die uns in den kommenden hundert Jahren bevorstehen werden. So zum Beispiel der Exodus ganzer Bevölkerungsgruppen aus dem pazifischen Raum, der dort, durch den Anstieg des Meeresspiegels, bereits eingesetzt hat.

Dumm nur, dass diese Menschen derzeit nicht den Hauch einer Chance haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden: Rein rechtlich gibt es nämlich keine Klimaflüchtlinge, da der Klimawandel in der Genfer Flüchtlingskonvention bislang nicht als Fluchtgrund aufgenommen wurde.

Kaum anzunehmen, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern wird, wehren sich doch viele Staaten, insbesondere Australien und Neuseeland, mit Händen und Füßen dagegen. Denn beide Staaten befürchten, nicht ganz zu Unrecht übrigens, dass sie sonst durch die Einwohner der durch den unaufhaltsamen Anstieg des Meeresspiegels dem Untergang geweihten melanesischen und polynesischen Inseln in den kommenden Jahren förmlich überrannt werden.

Nun aber bekommen eben jene Klimaflüchtlinge, die keine sein dürfen, Beistand von einer der Empathie ansonsten völlig unverdächtigen Seite: Hochrangige amerikanische Militärs fordern aktuell von ihrer Regierung vehement ein deutlich erhöhtes Engagement für den Klimaschutz, sehen sie doch in dem Klimawandel und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels eine akute Bedrohung.

Ihrer küstennahen Militärstandorte, nicht der am Meer lebenden Menschen.

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