Dienstag, 23. August 2016


Das Selbstbild des Mannes


Dieser Tage wird viel über ein mögliches Burka-Verbot gesprochen. Mal, wie in Frankreich, im Rahmen eines generellen Verhüllungsverbots, das sich durchaus nicht auf das Tragen von Burkas reduziert, sondern ganz allgemein und ohne religiöse Bezugnahme gilt. Da übrigens dem Vermummungsverbot nicht unähnlich, das 1985 in Deutschland als Versammlungsgesetz beschlossen wurde. Mal aber auch, indem auf die bei uns erreichte Rechtsposition der Frau und das damit einhergehende Geschlechterkonzept verwiesen wird, das in Europa mittlerweile gesellschaftliche Konvention geworden ist – wenn auch nicht immer praktisch konsequent realisiert, so doch als Konsens theoretisch weitgehend akzeptiert.

Wenn es um das Tragen von Hidschab, Tschador, Niqab oder Burka geht, wird immer wieder auf die patriarchal strukturierte Gesellschaft in muslimisch geprägten Ländern hingewiesen. Und auch auf die Gefahren, denen die Frauen durch den Mann ausgesetzt sind: Es diene nur ihrem eigenen Schutz, so die Argumentation, wenn sie ihren Körper so weit verhüllen, dass er den lüsternen Blicken der Männer, die sich da als „sexuelle Tiere“ gerieren (Khorchide), keine Angriffsmöglichkeit mehr bietet.

Allerdings scheint in radikalkonservativ geprägten muslimischen Gemeinschaften diese geschlechtsneutrale Verpackung der Frau immer noch nicht auszureichen, um den männlichen Sinnen keinerlei Anlass zu hormonell bedingten Übergriffen zu geben. Deshalb werden die Frauen dort oftmals nicht nur unter Tüchern verborgen, sondern nahezu gänzlich der Öffentlichkeit entzogen und dem ‚Schutz’ der eigenen vier Wände überantwortet – ein Hausarrest der perfiden Art.

Die Verhüllung dient aber nicht allein dem ‚Schutz’ der Frau, sie ist ursprünglich sogar ein Akt ihrer Befreiung. Denn durch diese Verhüllung unterschied sich die vermeintlich freie Frau von der Sklavin: Letztere durfte sich nämlich nicht in der Öffentlichkeit verhüllen. Dieses von Mohammed verbriefte ‚Recht’ war einzig der freien Frau vorbehalten: Die verhüllte oder gar gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit lebende Frau als das Sinnbild der freien Frau – darauf muss man erst mal kommen.

Ganz so fern ist diese Vergangenheit in der muslimischen Öffentlichkeit und in der dortigen öffentlichen Wahrnehmung aber offensichtlich nicht. „Eine Frau, die sich alleine im öffentlichen Raum bewegt“, so die Psychotherapeutin Deniz Baspinar in der ZEIT, „scheint in den Augen vieler dieser Männer herauszufallen aus dem Schutzraum Familie und verliert somit ihren Anspruch, unbelästigt ihres Weges gehen zu dürfen“.

Die unverhüllte, sich frei bewegende und kleidende Frau erscheint, im Gegensatz zu der moralisch guten, weil verhüllten, somit für jedermann frei verfügbar. Die sexuellen Wünsche des Mannes, so Deniz Baspinar, werden auf sie projiziert – und durch diese Projektion wird ihr zudem unterstellt, dass seine sexuellen Wünsche in Wahrheit ihre sind. Eine solche bauernschlau „als moralisch verderbt etikettierte Frau (verliert) ihren Anspruch auf Schutz und Unversehrtheit“. Und darf somit auch Ziel sexualisierter Gewalt werden. Selber schuld. Die Punz hat es doch nicht anders gewollt (woher kenne ich diesen Spruch bloß...).

Es werden, wie Baspinar betont, die „Frauen, mit denen Sex möglich ist, gleichzeitig herbeigesehnt und aggressiv abgewertet“. Mouhanad Khorchide spricht hier vor „einer Übersexualisierung der Beziehung zwischen Mann und Frau und der daraus resultierenden Reduzierung der Frau auf ihren Körper“ – also eine Reduzierung der Frau auf ein sexuelles Objekt, vor dem die Männer auf Erden ihrerseits geschützt werden müssen. Auch auf diese Logik muss man erst mal kommen.

Im Jenseits sieht die Sache allerdings gänzlich anders aus. Denn ziehe ich als Märtyrer ins Paradies ein, dann wartet dort der absolute Tabubruch als himmlische Belohnung auf mich, der Gegenentwurf der moralisch guten Frau: die willfährige, allzeit bereite, den Männern somit sexuell stets verfügbare, ewig junge, ewige Jung-Frau. Gleich 72 an der Zahl. Alle mit anregenden Vaginas ausgestattet. Vollen, niemals hängenden Brüsten. Lebendige Love Dolls. Gummipuppen. Keine Subjekte mehr, nur noch pure Objekte der Begierde des dauererigierten Mannes, seinen Trieben vollends ausgesetzt.

Ein wilder Tiger im irdischen Käfig, der, seiner Fesseln endlich ledig, droben seinen niederen Instinkten nachjagt und seine unterdrückte Sexualität genussvoll ausleben kann. Als Mann. Was das für die 72 Jungfrauen bedeutet, ist nicht überliefert.

Aber sehen wir einmal, auch wenn’s vielleicht schwer fällt, kurz von der Stellung der Frau ab, die hier zum Ausdruck kommt: Was bedeutet diese paradiesische Erfüllung eigentlich konkret für den Mann? Faktisch wie gesagt dies: Er muss bis zum jüngsten Gericht mit Dauererektion leben, muss 72 sexuell unerfahrene Jungfrauen stets aufs Neue deflorieren, ist ständig von prallen Brüsten und wolllüstigen Vulvas umgeben, die er zu besteigen hat. Mal unter uns Männern, liebe Märtyrer: Das ist nicht sinnlich. Das ist auch nicht himmlisch. Das ist die Hölle. Oder, schlimmer noch, ein ganz mieser Porno auf Endlosschleife.

Keine selbstbewusste Frau, die mir vielleicht zur Abwechslung mal eine neue, erregende Erfahrung offenbart. Keinen Moment Pinkelpause (wie soll das mit erigiertem Glied gehen?). Keine Runde Kicken mit alten Kumpels. Nichts. Nur rammeln, rammeln, rammeln, bis der Herr endlich ein Erbarmen hat.

Wie schlecht muss der Mann von sich selber denken, wenn er meint, dass allein der Anblick eines nackten weiblichen Körperteils, ja sogar nur der Hauch einer Andeutung einer weiblichen Körperform unter einem weiten Tuch in ihm eine solche Sturzflut an Hormonen auszulösen vermag, dass sie völlig unkontrolliert seinen Körper durchströmt und ihn zu einem willenlosen, rein instinkt- und triebgesteuerten Männchen werden lässt, das allein durch die Besamung des Weibchens halbwegs wieder besänftigt werden kann? Und was hab’ ich davon zu halten, wenn er sich dies, was ihm auf Erden versagt bleibt, als paradiesischen Zustand erträumt? Ja, wenn er auch noch zu allem Überfluss bereit ist, sich in die Luft zu jagen, um so in diesen zweifelhaften Genuss zu kommen?

Ich finde, es wäre langsam mal an der Zeit, dass weniger über Burkas und die Rolle der Frau gesprochen wird. Sondern mehr über die Emanzipation des muslimischen Mannes von sich selbst. Oder über eine Zeitenwende: Wie wär’s, wenn die nächsten 1400 Jahre der Spieß rumgedreht wird? Als Ausgleich. Komplett. Im Dies- wie im Jenseits. Ob das ein Heidenspaß für die Frauen wäre?

Ich glaube nicht.

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