Der Unterworfene, der
unterwerfen soll
Jeder einzelne Mensch ist in die Zeit und die
Welt geworfen. In ein Da-Sein genauso wie in ein So-Sein. In ein komplexes
Geflecht aus kulturellen Bedingungen, gesellschaftlichen, religiösen, ethischen
Normen, in einen vorgefundenen Platz, in einen je individuellen Möglichkeitsrahmen:
in eine ihm zugehörige, spezifische Variante der vorfindlichen Lebenswelt, die
ihrerseits eingebunden ist in ein weltumspannendes Geflecht unzähliger
Lebenswelten.
Als sei das nicht genug sind all diese
Lebenswelten und, in uns, alle lebensweltliche Individuationen nie konstant,
sondern immer fluid. Sie ändern sich beständig, nie gleichzeitig in gleicher
Weise, sondern immer und überall asynchron und bei jedem Einzelnen anders. Und
sei es auch nur zart nuanciert. Zudem ändern sich die Ausprägungen der
Lebenswelten laufend in jeder Zeitachse, sowohl in der diachronen als auch der synchronen.
Und auch hier wieder, heruntergebrochen auf jeden Einzelnen, nie konstant, nie
in gleicher Weise, ja: gegebenenfalls sogar von Tag zu Tag anders, abhängig von
jedem Ereignis oder individueller physischer und psychischer Tagesverfassung, vom
spezifischen Kontext oder sozialen Umfeld.
So gesehen ist der Einzelne de facto dem Sein,
der Zeit, der Welt, seinen intersubjektiven Verhältnissen und Konstellationen et
all. „unterworfen“, lat. subicere. Insofern
ist er „Subjekt“ – aber nicht das
Subjekt1, das er seit Descartes meint zu sein und das bereits in Gottes
Auftrag an uns, uns die Welt untertan zu machen, sie also mithin zu
unterwerfen, angelegt war. Dieses „Subjekt-Sein“ wird durch die harten Fakten der
Realität ins Gegenteil verkehrt: Ich bin als Mensch immer schon der Welt „unterworfen“.
Bin also nie frei von ihrer Abhängigkeit und als
Unterworfener, als „Subjekt“, auch nie
frei in meinen Handlungen:
Wie kann
ich nun als dieses „Subjekt“, als Geworfener, Unterworfener, gleichzeitig
„Subjekt“ sein, Unterwerfender, Entwerfender, Gestaltender?
1Die Dinge stellen sich oftmals
ganz anders dar, als sie uns heute erscheinen: Für den bedeutenden
mittelalterlichen Nominalisten William of Ockham war das ‚Sein der Dinge’,
unserer Objekte, esse subiectivum.
Und das ‚Sein der Gedanken im Geiste’, im Subjekt, esse obiectivum.
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