Eine
selbsterfüllende Prophezeiung
Im Rahmen des aktuellen U.S. News & World Report wurden 16.000 Bürgern aus 60 Ländern befragt. Das doch ziemlich überraschende Resultat dieser Erhebung. Die Mehrheit der Befragten kürte Deutschland zum „Besten Land der Welt“. Ein Ergebnis, auf das man durchaus stolz könnte, hatte Deutschland doch über Jahrzehnte ein, gelinde gesagt, lausigen Ruf. Wenn, ja wenn da nicht das Ergebnis einer anderen Untersuchung wäre, das einen etwas stutzig macht: der World Happiness Report 2015 der UNO. Dieser Report beleuchtet die Zufriedenheit der Menschen in den einzelnen Ländern. Und da ergibt sich ein befremdliches Bild: Deutschland landet recht abgeschlagen auf Platz 26 von 158 Ländern.
Woher kommt diese signifikante Diskrepanz zwischen
Fremd- und Eigenwahrnehmung? Wir haben ein Bruttosozialprodukt und eine
Außenhandelsbilanz, um die uns die Welt beneidet. Eine im internationalen
Maßstab vorbildliche Rechtsstaatlichkeit. Eine allgemein akzeptierte Stellung
der Presse als vierte Gewalt der Demokratie. Ein solides soziales System, das
sich trotz aller systemischen Schwächen weitgehend bewährt hat. Vor allem:
innere Sicherheit und stabilen Frieden seit nunmehr 70 Jahren. Aber – glücklich
ist der Deutsche dennoch nicht.
Aus der nüchternen Faktenlage ergibt sich keine
hinreichende Erklärung dafür, warum das so ist. Sind es also eher subjektive,
intuitive oder irrationale Faktoren? Ist es vielleicht vorauseilende Angst um
mögliche soziale Spannungen aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise? Angst vor
dem Verlust unserer hohen Lebensqualität? Ein solches Phänomen der Differenz
zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Realität haben die beiden
amerikanischen Soziologen Dorothy
Thomas und
William Thomas bereits 1928 beschrieben – sinniger
Weise am Beispiel paranoiden Verhaltens: „Wenn die Menschen Situationen als
wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich.“ Und zwar ganz gleich, wie irreal diese
Situationen auch sein mögen. Diese Erkenntnis ist in der
Verhaltensforschung als das ‚Thomas-Theorem’
bekannt.
Geradezu idealtypisch funktioniert dieser Mechanismus, wie der amerikanische Soziologe Robert Merton zeigte, bei sozialen Vorurteilen: Angenommen, ich behaupte, muslimische Flüchtlinge sind eine Bedrohung für den sozialen Frieden und die Lebensqualität. Ganz egal, ob diese Behauptung nun objektiv begründet ist oder nicht – sie mündet unweigerlich in der Forderung, muslimische Flüchtlinge vor Ort auszuschließen, sie auszugrenzen, ihnen jegliche Integrationsmöglichkeit zu verwehren. Das führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verstärkten sozialen Konflikten und Spannungen, auch innerhalb der Gruppe der Flüchtlinge. Im Extremfall werden die Flüchtlinge im Verlaufe der Ereignisse dann zu genau dem, was prognostiziert wurde: zu einer Bedrohung für den sozialen Frieden und der Lebensqualität. Eine selbsterfüllende Prophezeiung par excellence: Das erwartete Verhalten eines anderen wird durch mein eigenes Verhalten erst herbeigeführt.
Geradezu idealtypisch funktioniert dieser Mechanismus, wie der amerikanische Soziologe Robert Merton zeigte, bei sozialen Vorurteilen: Angenommen, ich behaupte, muslimische Flüchtlinge sind eine Bedrohung für den sozialen Frieden und die Lebensqualität. Ganz egal, ob diese Behauptung nun objektiv begründet ist oder nicht – sie mündet unweigerlich in der Forderung, muslimische Flüchtlinge vor Ort auszuschließen, sie auszugrenzen, ihnen jegliche Integrationsmöglichkeit zu verwehren. Das führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verstärkten sozialen Konflikten und Spannungen, auch innerhalb der Gruppe der Flüchtlinge. Im Extremfall werden die Flüchtlinge im Verlaufe der Ereignisse dann zu genau dem, was prognostiziert wurde: zu einer Bedrohung für den sozialen Frieden und der Lebensqualität. Eine selbsterfüllende Prophezeiung par excellence: Das erwartete Verhalten eines anderen wird durch mein eigenes Verhalten erst herbeigeführt.
Soweit sind wir noch nicht in Deutschland, die
irrationale Xenophobie hält sich in Grenzen. Noch. Denn immer mehr solcher
Stimmen werden laut, auch aus gewöhnlich gut situierten Kreisen. Und das in
unserer derzeitig so privilegierten Situation, wirtschaftlich, sozial wie
politisch. Was passiert aber, wenn sich unsere ökonomische Lage in den nächsten
Jahren tatsächlich merklich eintrüben sollte und es uns dann de facto so schlecht geht, wie sich der Deutsche laut ‚World
Happiness Report 2015’ heute schon fühlt? Mir
schwant nichts Gutes.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen